Oman

Sultanat Oman- Ramadan für Bolts

Wie ein Tor zur anderen Welt öffnet sich die Tür ins Flughafengebäude Muskat. Inmitten der in weiße Gewänder gehüllten Omani fallen wir auf wie bunte Hunde. Der Mann am Mietwagenschalter schlägt sein Buch von hinten auf und sucht von rechts nach links lesend unsere Reservierung, irgendwie ist hier alles auf den Kopf gestellt. Gegen 3 Uhr morgens steigen wir endlich völlig gerädert in unseren Allrad-Panzer und fahren vorbei an riesigen Moscheen und Palästen, in der Hoffnung irgendwo ein Plätzchen zu finden an dem wir etwas schlafen können. Schließlich breiten wir unsere Isomatten am Strand aus und teilen uns mit hunderten von Mücken und Sandflöhen das Lager.

Während der Fahrt zum ersten Klettergebiet durch das Wadi Bani Awf finden wir entlang der schroffen Piste genügend Boulder-Möglichkeiten, um den Tag zu verbringen. Auch die Straße ist für uns Allrad-Neulinge spannend: Flussquerungen und steile Passagen entlang bodenloser Abhänge halten uns bei Laune. Eine Oase inmitten der kargen Felslandschaft – ein terrassenförmig gebauter Palmenhain an einem Bach – wird zu unserem Lagerplatz. Dahinter windet sich ein schmaler Pfad zwischen den Felswänden in die enge Schlucht namens La Gorgette. Hier kann man vom plätschernden Bach gekühlt, eine Sportroute nach der anderen klettern, bis einem die Arme abfallen. Die abwechslungsreiche Kletterei ist genau das Richtige zum ein-klettern, schließlich haben wir zu dieser Jahreszeit seit Längerem keinen Felskontakt mehr gehabt.

Einen Nerventest absolvieren wir tags drauf an einem Klettersteig (!) im nahe gelegenen Snake Canyon. Zunächst steigen wir einen schroffen Steilhang hinunter bis an den Rand der tiefen Schlucht. Das Warnschild “Danger- closed for maintenance” direkt vor meiner Nase sehe ich vor Aufregung nicht. Ein Drahtseil ist zur anderen Seite der Schlucht gespannt, aber jeweils nur mit einem Bohrhaken versichert. Die Zugrichtung verläuft im rechten Winkel, die denkbar ungünstigste Belastung für den Haken- mich schaudert es. Aber Georg hängt schon längst mitten im Drahtseil, ein lautes “Juhuuuuuuu” hallt durch die Schlucht. Je länger wir Übrigen zögern, desto schlimmer wird die Überwindung. Nach langem hin und her hangeln wir schließlich doch am Seil hinüber. Das Hangeln ist so anstrengend, dass keine Zeit und Kraft bleibt sich zu fürchten – das Seil hält. Insgesamt überquert der Klettersteig 5 Mal den Canyon und bietet einmalige Tiefblicke in die Schlucht mit ihrem smaragd-grün schillernden Wasser. Wahnsinn!

Unser nächstes Ziel ist Sharaf al Alamayn, der höchste Pass im Oman. Der Motor heult, auf der steilen Schotterpiste krallen wir uns angespannt in die Sitze. Kurz vor dem Sattel fahren wir an einem kompakteren Felsriegel vorbei, wo es einige Trad-Routen geben soll. Die Böschung hinauf gekrochen und schon sehen wir eine Linie, die zur Beschreibung von “Scratch and win” passt. Seillänge für Seillänge klettern wir durch Risse und Verschneidungen in griffigem Fels nach oben. Es fühlt sich großartig an eigene Sicherungen legen zu dürfen, den Weg selbst zu suchen und keine Spuren zu hinterlassen. Wir erleben einmal wieder die grenzenlose Freiheit des Trad-Kletterns, fühlen uns im Einklang mit Fels und Natur. Ganz intuitiv finden wir den logischen Weg durch die Wand. Am Ausstiegsplateau genießen wie den traumhaften Blick auf die zerklüftete Landschaft, bevor wir auf der Rückseite des Felsriegels zur Straße absteigen.

Al Hamra Towers, wir kommen! Wie zwei Wehrtürme einer Festung stehen die beiden Felsen über der gleichnamigen Stadt. Auf dem einstündigen Zustieg durch das Steinmeer kommen wir ganz schön ins Schwitzen. Als Test-Tour erst einmal etwas leichtes- “En attendant les lents”. Die Stände sind gebohrt, sonst ist alles selbst abzusichern. Der Fels ist strukturreich und kompakt, das Klettern eine richtige Freude. Beim Legen der Sicherungen ist manchmal etwas Phantasie und schnelle Entscheidungsfindung gefragt, ansonsten schlängelt sich die Linie über Rampen, Platten und Verschneidungen geschickt durch die Wand. Etwas anspruchsvoller aber einfach brillant ist “La Mama” am benachbarten, rechten Felsturm. Hier geht es durch super Strukturen, Risse und Ver-schneidungen bei faszinierenden Tiefblicken bis zum höchsten Punkt. Ein tolles Erlebnis! Am Gipfel genießen wir den herrlichen Ausblick auf das Grün der Palmenhaine und die alten Lehmbauten im Tal während der Muezzin zum Gebet ruft- das Echo erfüllt die ganze Felsarena.

Es geht weiter in Richtung Wadi Ghul. Von der Straße aus, direkt beim kleinen Dorf Al Hajir am Rande des Wadi An Nakhur erspähen wir einen kleinen Felsriegel. Bei näherer Betrachtung entdecken wir Strukturen, die wie geschaffen sind für das Trad-Klettern. Ob hier schon jemand gewesen ist? Unmöglich können wir diese offensichtlichen Linien ungeklettert lassen. In den folgenden Stunden finden wir mehrere tolle Linien (Topo in Galerie).

Unser nächstes Ziel ist ein Pfeiler des kilometerlangen Felsmassivs am Wadi Ghul. Vielleicht können wir sogar eine neue Linie eröffnen? Aber erst wartet die Durchquerung einer schier endlosen Steinwüste auf uns, schweißgebadet erreichen wir den Einstieg. Über die ersten zwei Seillängen von “Samba di Jedi” klettern wir den Strukturen folgend auf ein breites Felsband, an dem wir zum linken Pfeiler wechseln. Ab hier betreten wir Neuland, verlassen uns auf unsere Erfahrung und vertrauen uns dem Fels an. Es wird sich schon ein Weg durch diese Wand finden… Georg überwindet einen kleinen Überhang, kurz danach hagelt es Steine. Durch einen Sprung unter das Dach kann ich mich in Sicherheit bringen, aber nicht die Seile – eines ist so gut wie durchgeschlagen! Mein Schreck wird zu Angst und Wut darüber, dass wir in solch brüchigem Fels klettern. In der nächsten Seillänge versuche ich die geballte Wut ins Vorankommen zu kanalisieren, ein Zurück gibt es nicht. An guten Strukturen geht es über eine Plattenpassage, die kaum abzusichern ist. Mit zitternden Knien quere ich weit nach links zu einem Riss und dann den Sicherungsmöglichkeiten folgend nach oben rechts sodass ich bald durch den Seilzug nicht mehr weiter komme. Nach längerem Suchen schaffe ich schließlich einen vernünftigen Stand. Georg quert auf dem vor uns liegenden Vorsprung ein Stück nach rechts und tastet sich vorsichtig einen sehr brüchigen Riss auf den nächsten Felsvorsprung empor. Ein paar Felsbrocken sausen die Wand hinunter, der dumpfe Aufschlag tief unter uns motiviert zum schnellen Ausstieg. Es folgt eine nicht enden wollende Reihe leichter Seillängen bis wir endlich am Grat aussteigen. Inzwischen ist es spät geworden und vor uns liegt ein weiter Abstieg durch unbekanntes Gelände. Kurz bevor es dunkel wird erreichen wir die Straße. Den 5km langen Straßenmarsch verkürzt uns ein aufmerksamer Omani, der uns zum Auto zurück bringt obwohl er eigentlich in die andere Richtung gefahren ist.

Danke!

Nach diesem Mehrseillängen-Abenteuer wollen wir im Wadi Dayqah ein paar kurze Linien genießen und die Ostküste kennen lernen. Auf einer neuen, dreispurigen Autobahn fahren wir bis kurz vor Qurayyat, dann auf immer kleiner werdenden Teerstraßen landeinwärts und auf einer Schotterpiste ins Wadi hinein. Die ausgefahrene Straße wird nach ein paar hundert Metern immer gröber, die Felsbrocken immer größer. Hinter der ersten Flussdurchquerung verlieren sich die Fahrspuren, vor uns nur noch Schlamm und Wasser- für uns ist Endstation. So sieht also ein Wadi nach einer Sturzflut aus, die Klettersektoren sind momentan unzugänglich. So erkunden wir Neuland und hinterlassen neben Spuren im Schlamm auch ein paar gut abzusichernde Tradlinien durch Verschneidungen und Risse im Anfangsbereich des Wadi (Topo in Galerie).

Nach dieser Schlammschlacht erholen wir uns schwimmend im türkisblau leuchtenden Wasser desBammah Sinkholes, etwas südlich von Qurayyat. Es ist ein ca. 50 Meter tiefer, natürlicher Kalksteinkrater, dessen Wasser unterirdisch mit dem Meer verbunden und deshalb etwas salzig ist. Wir genießen das Wasser- schwimmend, springend und bouldernd. Und zur Feier des Tages gibt es die leckersten Mangos die wir je gegessen haben.

Anschnallen ist angesagt- die angeblich engste, steilste Straße mit Tiefblick gibt es im Wadi Tiwi. Wieder krallen wir uns tief in die Sitze und kommen aufgrund des regen Verkehrs immer wieder in brenzlige Situationen. An den unmöglichsten Stellen müssen wir direkt am Abgrund zurückstoßen, in den steilen Kurven kommen wir fast ins Rutschen. Oben angekommen blicken wir auf riesige Felswände- nach den bereits erlebten Kletterabenteuern läuft es mir bei diesem Anblick kalt den Rücken herunter. Nicht schon wieder Kopf voraus durch eine unbekannte Wand, ohne Rückzugsmöglichkeit und Abstiegskenntnisse. Es ist Nachmittag, ringsum nur steile Felshänge und in der kleinen Siedlung am Rand der Schlucht werden gerade Autoreifen verbrannt. Da bleiben wir doch lieber unten im Bachbett, am rauschenden Wasser auf schönen, weißen Steinen. Zumal wir die steile Straße nicht noch einmal hinauf fahren möchten, klettern wir am nahe gelegenen Felsriegel und fahren danach weiter. (Oman Film).