In den vergangenen Jahren war ich viel unterwegs um Reportagen zu fotografieren. Der Verschluss wurde nicht geschont und es kamen mehr als 70.000 Auslösungen pro Jahr zusammen.
Quasi als Ausgleich bin ich vor Kurzem los mit zeitloser Technik. Einer Plattenkamera aus den 1920er Jahren. Ein Jahrzehnt, das die deutsche Film- und Fotoindustrie dominiert hat. Mit einer 100 Jahre alten Kamera fotografieren: Irgendwie anachronistisch. Jetzt werden doch schon Handys für professionelle Arbeiten genutzt. Wozu also analog mit einer 100 Jahre alten Kamera?
Große Überraschung
Erstmal verging viel Zeit bis alle Ausrüstung auf diversen Plattformen organisiert war. Kabelauslöser, Plattenkamera, usw. Überraschung: Bei der Kamera war keine Planfilmkassette dabei. Kurz im Internet recherchiert. Warum nicht eine internationale Kassette verwenden und ein neues Rückteil anbauen. Einfach Winkel anschrauben wie im Netz demonstriert? Nein, das kann ich der Kamera nicht antun. Heureka! Von Weihnachten ist eine Blechbox übrig, die genau das richtige Format hat. Biegen, schneiden, bohren…und abdichten: Fertig! Etwas unförmig aber funktionell. Gleich das erste Foto richtig belichtet: Glück?
Warum analog?
Ist es die Selbstlimitierung, etwas mit dem sich auch die Menschheit gerade schwertut? Mit der einen Kassette kann ich genau 2 Fotos machen. Es ist intensiver. Man muss das Bild vorher denken, sich mehr auseinandersetzen. Das Planfilmnegativ Format 9×12 cm hält fast 500 Jahre: Selbstkontinuität? Es macht Spaß nach 100 Jahren einer Kamera wieder Sinn zu geben. Es gibt den magischen Moment im Fotolabor, wenn langsam das Bild erscheint. Oder es erscheint halt nicht – falsch belichtet. Die Technologie übernimmt nicht alles. Die Eigenleistung ist größer? Es ist genial fehlerbehaftet: Staub, Kratzer. Es ist menschlicher und es entschleunigt total. Der Antipol den wir gerade brauchen.